Gerichtsvollzieher statt Rettungsschirm

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GVZ1
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Gerichtsvollzieher statt Rettungsschirm

Beitrag von GVZ1 »

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Gerichtsvollzieher statt Rettungsschirm Wenn Arbeiter ihren Lohn zurückzahlen müssen

Die Mitarbeiter einer kleinen Druckerei in Franken können es nicht fassen. Bis zum Schluss haben sie ihrem insolventen Betrieb die Treue gehalten, sogar verspätete Lohnzahlungen in Kauf genommen. Und genau dafür werden sie jetzt bestraft. Weil sie von der Krise ihres Arbeitgebers wussten, sollen sie drei Monate ihres Gehalts zurückzahlen. Das ist ein Wahnsinn? Nein, das ist deutsches Insolvenzrecht!

Von Ulrich Hagmann, Christoph Hoppstädter


Diese Menschen haben nicht nur ihren Job verloren, sondern sollen jetzt auch noch Geld zurück zahlen. Die Mitarbeiter der insolventen Firma Maintaldruck in Oberfranken haben monatelang um ihre Firma gekämpft, haben weiter gearbeitet, obwohl der Chef nur noch schleppend bezahlt hat. Weil sie angeblich von der Krise ihres Arbeitgebers wussten, verlangt der Insolvenzverwalter jetzt den Lohn zurück.
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Gerichtsvollzieher statt Rettungsschirm: Wenn Arbeiter ihren Lohn zurückzahlen müssenDie Mitarbeiter einer Druckerei in Franken können es nicht fassen. Bis zuletzt haben sie ihrem insolventen Betrieb die Treue gehalten, sogar verspätete Lohnzahlungen akzeptiert. Und genau dafür werden sie jetzt bestraft. Weil sie von der Krise ihres Arbeitgebers wussten, sollen sie drei Monate ihres Gehalts zurückzahlen.



Simone Franke: "Bei mir geht’s um drei Monatsgehälter, das sind ungefähr so 4.500 Euro. Und was mich daran ärgert ist, dass ich dafür gearbeitet habe und zwar nicht zu wenig, sondern auch mit Überstunden und Urlaubsverzicht."

Karlheinz Schmidt: "Bei mir beläuft sich die Forderung auf 12.514 Euro."

Ute Träupmann: "Das ging bei mir um einen Betrag von über 9.000 Euro."

Ilse Göbel: "Das ist für mich ein Haufen Geld, dafür habe ich gearbeitet und geschwitzt. Und jetzt soll ich damit dem Herrn Hahn seine Schulden bezahlen."

Werner Heller: "Die Leute haben gearbeitet, die haben bis zuletzt Überstunden gemacht, die haben von nichts gewusst, dass da etwas im argen liegt. Und deswegen finde ich das unfair, allein von den Politikern, die machen da in den Hinterzimmern ihre Paragraphen und wir müssen das auslöffeln und das sehe ich nicht ein."

Unglaublich, aber wahr: Lohn zurück zahlen für geleistete Arbeit. Das ist deutsches Insolvenzrecht: Akzeptiert ein Arbeiter verspätete Zahlungen, wird er zum Kreditgeber seines Chefs und wird anderen Gläubigern gleichgestellt. Alle Zahlungen der letzten drei Monate vor der Insolvenz können angefochten werden. Das hat der Insolvenzverwalter bei allen 40 Beschäftigten der Firma Maintaldruck getan. Warum er diesen ungewöhnlichen Weg geht, wollte uns der Mann vor der Kamera nicht erklären.

Karlheinz Schmidt, ehemaliger Angestellter Maintaldruck: "Ärgern tut mich an der ganzen Sache, dass wir praktisch machtlos sind gegen dieses Gesetz, gegen diese Unverschämtheit, dass wir die drei Monatsgehälter, die wir auch verdient haben und erarbeitet haben, dass wir die zurück zahlen müssen."

Simone Franke, ehemalige Angestellte Maintaldruck: "Also, wir wollten halt die Arbeitsplätze erhalten, wie die Frau Merkel so schön bemerkt hat. Arbeitsplätze erhalten und nicht abschaffen und werden jetzt dafür bestraft."

Auch Susi Weith, Mutter von zwei Kindern, hat verzweifelt um ihren Arbeitsplatz gekämpft. Als der Lohn nicht kam, hat sie weitergearbeitet, ihr Konto überzogen, um die laufenden Kosten zu decken. Jetzt soll die Frau den verspätet bezahlten Lohn zurück zahlen, 3.460 Euro verlangt der Insolvenzverwalter. Woher sie das Geld nehmen soll, weiß sie nicht.

Susi Weith, ehemalige Angestellte Maintaldruck: "Es waren einige von uns Mitarbeitern auf dem Arbeitsamt, da wurde ihnen sogar gesagt, dass verzögerte Lohnzahlung kein Kündigungsgrund ist und wenn du quasi dann selber kündigst, dann würdest du ja gesperrt werden, deswegen hat das ja auch keiner gemacht. Also, du bist in einer Situation, auf der einen Seite sollst du arbeiten, kann aber sein, dass du das zurück zahlst, wenn du kündigst, wirst du gesperrt und kriegst kein Geld."

In derselben Situation waren letztes Jahr die Arbeiter der Firma Holz Nützel in Rehau. Auch sie hatten verspätete Lohnzahlungen akzeptiert und sollten deshalb nach der Insolvenz ihrer Firma ihren Lohn für geleistete Arbeit zurück zahlen. Insolvenzverwalter Eberhard Irrgang aus Selb wollte ein Exempel statuieren und hat 120 Arbeiter der Firma Nützel auf Rückzahlung von 225.000 Euro Lohn verklagt. Er bekam in vielen Fällen Recht. 15 Arbeiter haben schon bezahlt, Beträge zwischen 2.500 und 6.000 Euro plus Verfahrens- und Anwaltskosten der Gegenseite.

Eberhard Irrgang, Insolvenzverwalter: "Mitleid schon, auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite, wenn ich es nicht tun würde, wäre ich jedem Gläubiger gegenüber Schadensersatzpflichtig."

Klaus Völkel, ehemaliger Nützel-Arbeiter, soll 5.800 Euro zahlen, doch er wehrt sich und hat mit ehemaligen Kollegen den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages angerufen.

Klaus Völkel, ehemaliger Angestellter Holz Nützel: "Die Meinung war eigentlich einhellig, dass das Gesetz als solches richtig ist. Die Gleichberechtigung der Gläubiger, egal ob es ein Mitarbeiter ist oder ein normaler Lieferant. Die haben das bestätigt und auch verteidigt, die Politiker."

Im Bundskabinett ist Arbeitsminister Olaf Scholz und für das Insolvenzrecht Justizministerin Brigitte Zypries zuständig. Beide hatten für ein Interview mit report MÜNCHEN keine Zeit. In einer schriftlichen Stellungnahme verteidigt das Haus Zypries die gegenwärtige Regelung, spricht von wenigen Einzelfällen, verweist auf den Insolvenzgeldanspruch der Arbeitnehmer und verspricht, die Entwicklung in diesem Bereich sehr sorgfältig zu beobachten.

Simone Franke, ehemalige Angestellte Maintaldruck: "Ich fühle mich von den Politikern im Stich gelassen, da ja andere dafür belobigt werden, dass sie jetzt Gelder, die ihnen nicht gehören, veruntreuen, siehe Banken und dafür noch Milliarden wieder einnehmen. Und wir als kleiner Arbeiter eben dafür bestraft werden, dass wir eben auf Arbeit gehen."

Ute Träupmann, ehemalige Angestellte Maintaldruck: "Der Arbeitnehmer bringt bis zum Schluss seine Leistung, um seinen Arbeitsplatz und die Firma zu retten, ist loyal und wird dann dafür bestraft. Das kann doch nicht im Sinne des Gesetzes und der Gesetzgeber sein."

Weil sie sich im Stich gelassen fühlen, gehen die Arbeiter von Maintaldruck vergangenen Donnerstag in die Offensive, sie laden die Presse zu einer Informationsveranstaltung.

Susi Weith: "Wir wollen einfach das publik machen und das andere in derselben Situation, die ihre Löhne nicht pünktlich kriegen, dass die vorgewarnt sind, dass die was unternehmen können."

Schließlich kommt es jetzt in der Wirtschaftskrise wahrscheinlich noch viel häufiger zu Insolvenzen. Mitarbeiter, die ihre Firma retten wollen und deswegen verzögerte Lohnzahlungen akzeptieren, müssen damit rechnen, vom Insolvenzverwalter später zur Kasse gebeten zu werden.

Ute Träupmann: "Die haben ja das Geld nicht auf die Seite gelegt, die haben ja schon Entbehrungen gehabt aufgrund der unregelmäßigen Lohnzahlungen der letzten Monate, viele mussten Versicherungen kündigen, mussten Kredite aufnehmen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und ist das vom Gesetzgeber gewollt, dass Menschen da in die Privatinsolvenz getrieben werden? Das kann doch nicht angehen."

Die derzeitig gültige Insolvenzordnung ist seit 1999 in Kraft, doch erst jetzt wird klar, welch fatale Folgen das Gesetz für Arbeitnehmer hat. Wenn die Politik hier nicht korrigierend eingreift, werden noch viele Beschäftigte für die Fehler ihrer Chefs teuer bezahlen.
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