Zwangsvollstreckung gegen eine Behörde

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Bastie
Beiträge: 1
Registriert: Mi 8. Sep 2010, 14:51

Zwangsvollstreckung gegen eine Behörde

Beitrag von Bastie »

Wie bereits schon im Verfahren vor dem Sozialgericht Oldenburg bekam eine Hilfeempfängerin aus Wilhelmshaven im Wege eines vom Job-Center Wilhelmshaven in die Wege geleiteten Beschwerdeverfahrens vor dem LSG bestimmte Leistungen zugesprochen.

Es geht im Kern darum, dass das Job-Center scheinbar nicht in der Lage ist, Lohn eines Mini-Jobs korrekt anzurechnen.

Auszug aus dem Beschluss des Landessozialgerichts, Az. L 13 AS 192/10 B ER vom 10.08.2010:
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Der Antragsgegner (Anm. d. Verf. (das bin ich;-): das Job-Center) wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für den Monat März 2010 in Höhe von 71,22 Euro und für die Zeit ab April 2010 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis 30. September 2010 in Höhe von 147,00 Euro pro Monat auszuzahlen.
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Am 17.08.2010 erwiderte das Job-Center Wilhelmshaven bzgl. der einstweiligen Anordnung folgendes (Auszug):
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Sehr geehrte Frau xxx,

die in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12.08.10 – Az. L 13 AS 192/10 B ER – genannten Beträge werden Ihnen in dem Maße ausgezahlt, insoweit ein Hauptsacheverfahren anhängig ist. Dies ist jedoch nur für den Monat März 2010 anhängig. Eine Zahlung für diesen Zeitraum – abzüglich bereits geleisteter Zahlungen – wird umgehend vorgenommen.
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Einmal davon abgesehen, dass der Beschluss nicht vom 12.08., sondern vom 10.08.2010 ist, kann das Job-Center nicht auf diese Weise einen eindeutigen Beschluss ignorieren, während die Hilfeempfängerin hungert.

Soweit das Job-Center in seinem Schreiben vom 17.08.2010 die Meinung vertritt, der Beschluss des Landessozialgerichts wäre für die Zeit ab April nicht anwendbar, widerspricht dies der ausdrücklichen Entscheidungsformel des Landessozialgerichts (siehe oben), das Zahlungen ausdrücklich bis Ende September 2010 unanfechtbar angeordnet hat. Einwände dagegen hätte das Job-Center im gerichtlichen Verfahren vorbringen müssen.

Anfang des Monats hat die Hilfeempfängerin nun die Zwangsvollstreckung gegen das Job-Center Wilhelmshaven eingeleitet.

Der Gerichtsvollzieher bzw. die Gerichtsvollzieherin hat den Fall jedoch noch nicht auf dem Tisch (Stand von heute morgen), weil das Amtsgericht erst über Prozesskostenhilfe für das Zwangsvollstreckungsverfahren entscheiden muss.

Aber Fragen dazu habe ich natürlich auch:

1. Es gibt Rechtsauffassungen, dass eine EA innerhalb eines Monats zu vollstrecken sei. Gilt diese Vollstreckungsfrist, sobald der Gerichtsvollzieher die EA hat oder sobald der Gerichtsvollzieher bei der ARGE aufläuft? Gilt sie überhaupt? Es geht um Sozialrecht!

2. Was ist, wenn das Amtsgericht nicht rechtzeitig über die PKH entscheidet und der Gerichtsvollzieher deswegen nicht schnell genug zur ARGE kommt (unter der Annahme, dass diese Monatsfrist gilt)?

3. Die Hilfeempfängerin selbst war bereits mit der EA bei der ARGE und wollte ihr Geld. Könnte man das evtl. schon als Vollstreckungsversuch deuten oder wird ein Gerichtsvollzieher vorausgesetzt?

4. Gibt es Gerichtsentscheidungen, bei denen von der erwähnten Monatsvollstreckungsfrist bei einstw. Anordnungen abgewichen wird?

5. Was kann ein GV überhaupt bei einer ARGE pfänden? Es gab bereits einen erfolglosen Kontopfändungsversuch in Deutschland, weil die Konten der ARGE scheinbar nicht ihr, sondern der Bundesagentur für Arbeit gehören. Käme es in Frage, dass der GV den Bargeldautomaten der ARGE "knackt"?

6. Wenn der GV in der Behörde nichts vollstrecken kann, weil alles der BA (Bundesanstalt für Arbeit) gehört... Was dann? Guckt der Hilfeempfänger (= Gläubiger) dann in die Röhre? Dann bräuchte sich eine ARGE ja gar nicht mehr an irgendwelche Titel zu halten.

Zu letztem Punkt sei angemerkt: Bei Titeln gegen die ARGE geht es oft ums konkrete Überleben der Gläubiger, da es oft um das physische Existenzminimum geht.

MfG
GVCom
GV*
Beiträge: 2745
Registriert: Mi 7. Jan 2009, 20:28
Bundesland: BW

Re: Zwangsvollstreckung gegen eine Behörde

Beitrag von GVCom »

Bastie hat geschrieben: Aber Fragen dazu habe ich natürlich auch:
1. Es gibt Rechtsauffassungen, dass eine EA innerhalb eines Monats zu vollstrecken sei. Gilt diese Vollstreckungsfrist, sobald der Gerichtsvollzieher die EA hat oder sobald der Gerichtsvollzieher bei der ARGE aufläuft? Gilt sie überhaupt? Es geht um Sozialrecht!
Die Frist fängt (spätestens) an zu laufen wenn der ASt. die einstweilige Anordnung in Händen hält.
2. Was ist, wenn das Amtsgericht nicht rechtzeitig über die PKH entscheidet und der Gerichtsvollzieher deswegen nicht schnell genug zur ARGE kommt (unter der Annahme, dass diese Monatsfrist gilt)?
Das Gericht wird den Antrag als Eilfall behandeln.
3. Die Hilfeempfängerin selbst war bereits mit der EA bei der ARGE und wollte ihr Geld. Könnte man das evtl. schon als Vollstreckungsversuch deuten
Nein
Kann ein GV überhaupt bei einer ARGE pfänden? Es gab bereits einen erfolglosen Kontopfändungsversuch in Deutschland, weil die Konten der ARGE scheinbar nicht ihr, sondern der Bundesagentur für Arbeit gehören. Käme es in Frage, dass der GV den Bargeldautomaten der ARGE "knackt"?
Diese Frage kann ich nicht beantworten.

Leider habe ich nicht verstanden in welchen Zusammenhang Sie selbst zu diesem Fall stehen.
Ich darf deshalb anmerken dass Rechtsberatung in diesem Forum nicht zulässig ist und auch nicht erfolgt.

Im Übrigen gilt § 882a - Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung

(1) Die Zwangsvollstreckung gegen den Bund oder ein Land wegen einer Geldforderung darf, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden, erst vier Wochen nach dem Zeitpunkt beginnen, in dem der Gläubiger seine Absicht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, der zur Vertretung des Schuldners berufenen Behörde und, sofern die Zwangsvollstreckung in ein von einer anderen Behörde verwaltetes Vermögen erfolgen soll, auch dem zuständigen Minister der Finanzen angezeigt hat. Dem Gläubiger ist auf Verlangen der Empfang der Anzeige zu bescheinigen. Soweit in solchen Fällen die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher zu erfolgen hat, ist der Gerichtsvollzieher auf Antrag des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht zu bestimmen.

(2) Die Zwangsvollstreckung ist unzulässig in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. Darüber, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen, ist im Streitfall nach § 766 zu entscheiden. Vor der Entscheidung ist der zuständige Minister zu hören.

(3) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 sind auf die Zwangsvollstreckung gegen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Behörde im Sinne des Absatzes 1 die gesetzlichen Vertreter treten. Für öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditanstalten gelten die Beschränkungen der Absätze 1 und 2 nicht.

(4) (weggefallen)

(5) Der Ankündigung der Zwangsvollstreckung und der Einhaltung einer Wartefrist nach Maßgabe der Absätze 1 und 3 bedarf es nicht, wenn es sich um den Vollzug einer einstweiligen Verfügung handelt.
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Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei..
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